Schon beim Einlass in Haus Siekmann war am letzten Freitagabend in den Gesichtern der vielen Besucher und Besucherinnen der Sendenhorster Erzählnacht die Vorfreude abzulesen. Was kann es schließlich Schöneres geben, als in Nacht, Nebel und Regen bei Kamin und Kerzenschein zusammen zu kommen und den erzählten Geschichten zu lauschen. Theomobil e.V. hatte wieder zu einem besonderen Erzählabend eingeladen, die Sendenhorster Erzählnacht fand bereits zum 24. Mal statt und war wie immer ausverkauft. Die Gäste wurden nicht enttäuscht: Die Erzählkünstlerin Maria Carmela Marinelli aus Italien bereitete allen, die an diesem Abend auf der Tenne Platz genommen hatten, einen ganz außergewöhnlichen Abend. Gleich ihre erste Geschichte handelte von einem König, der Rätsel liebte, als er eines Tages drei völlig gleiche Puppen geschenkt bekam und keinen Unterschied zwischen ihnen feststellen konnte. Bis ihm jemand das Geheimnis verriet: der Unterschied lag darin, wie das, was zu den Ohren hinein-, wieder herauskam. So vermittelte die Künstlerin schon zu Beginn ihres Programms sehr anschaulich, worin die Kunst des Erzählens besteht, nämlich alles, was man gehört und erfahren hat, weiterzugeben, aber mit einem besonderen Dreh. Diesen besonderen Dreh demonstrierte die Künstlerin, die in Bologna und Berlin u.a. Theaterpädagogik studiert hat, an diesem Abend besonders eindrucksvoll. Mal erzählte sie, mal sang sie, mal auf italienisch, mal auf deutsch, mal schimpfte sie laut, mal flüsterte sie geheimnisvoll und leise. Dank ihrer ausdrucksstarken und temperamentvollen Gestik und Mimik konnten die Zuhörer*innen ihr jeden Moment problem- und zumeist atemlos folgen. Im ersten Teil des Abends erzählte Marinelli volkstümliche Märchen aus der italienischen Tradition und eine besinnlich-mythische Geschichte von der Entstehung des Sternenzeltes, die sich im weitesten Sinne um das Thema „Liebe“ drehten und so manche charakteristisch italienische Zutat enthielten. Nach der Pause wechselte sie zu autobiographischen Erzählungen, die sie kunstvoll und erzählerisch grandios mit traditionellen Märchenstoffen verwob. Wie etwa bei der Erzählung vom offenen Haus ihrer Kindheit und dem bekannten Märchen vom Brückenbauer. Oder in ihrer Erzählung von dramatischen Flughafen-Abschieden und tonnenschweren Mitgabe-Geschenken ihrer Mutter. Damit das Kind in der deutschen Fremde nicht darbe. Gerade diese herrliche Tochter-Mutter-Erzählung sorgte für große Heiterkeit und verständnisvolle Teilnahme im Publikum. Offenbar wussten viele Zuhörerinnen und Zuhörer genau, von welchen Erfahrungen Marinelli hier erzählte. Und als sie dann einen letzten Blick auf Bari, der wunderschönen Stadt am blauen Meer, beschrieb, da konnte wohl jede und jeder im Publikum ihre Herzenssehnsucht nach der italienischen Heimat nachfühlen. Und wer weiß: So manche wird wohl selber etwas Fernweh nach dem schönen, warmen Süden Italiens verspürt haben. Lang anhaltender Applaus war die Art des Sendenhorster Publikums von Herzen „Danke“ zu sagen für einen unvergesslichen Abend. Dann gingen alle wieder in die ungemütlich nass-kalte Novembernacht. Jedoch nicht ohne sich zu versichern, im kommenden Jahr wieder zu kommen: Auf ein Wiedersehen zum 25-jährigen Jubiläum der Sendenhorster Erzählnacht. Die Vorfreude war schon zu spüren.